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vergeßlich [Unvergeßlich] war dem Knaben der Anblick des Mörders des Generals Morio, den er auf dem Henkerkarren in langem Zuge von Militär begleitet in schwarzem Hemd und weißer Mütze vom alten Rathause aus vorüberfahren sah, und dann der prunkvolle Leichenzug des Generals selbst mit riesigen Kerzen, die Bellevue entlang bis zur katholischen Kirche. Den kleinen König Jérôme hat er oft gesehen, bald im Wagen mit großem Gefolge, wobei bisweilen ein Gespann von gezähmten Hirschen mitgeführt wurde, bald zu Pferd, wo seine krumme Haltung mit schlenkernden Ellenbogen und der regellose Galopp auffällig war. Den Zug der großen Armee nach Rußland merkte man in Kassel am Ab marsch der westfälischen Regimenter, zuverlässige Nachrichten über den Verlauf des Krieges kamen selten, der Rückzug über die Beresina wurde anfangs verschwiegen. Der Schrecken über die Beschießung der Stadt durch Tschernischeff war groß, die Kugeln flogen durch die Straßen, Abends erschienen einzelne Kosaken in der Stadt und auch vor der Pension; Kavallerieabteilungen lagerten über 8 Tage auf dem Wilhelmsplatz. Der später im Oberneustädter Rathaus einquartierte General Allix verhandelte vor den Augen des Volkes mit den Abgesandten der neu anrückenden Russen und überließ ihnen die Stadt. Nach Rück kehr des Kurfürsten wurde Knatz, dessen Vater im Hofdienst stand und seinen Vater in die Verbannung begleitet hatte, dem jüngeren Sohne der Gräfin Hessenstein (Frl. v. Schlotheim) als Spielgefährte zugeführt. Von dem Verhältnis zwischen ihr und dem Kurfürsten hatte er so wenig wie die Hessensteinschen Kinder Verständnis. Man hatte diesen gesagt, ihr Vater sei Dänischer General gewesen, nach seinem Tode habe sich der Kurfürst der Familie wie ein Vormund angenommen. Die Gräfin erschien bei offizieller Hofhaltung und öffentlich niemals, in ihrem Hause erschien Wilhelm I. nur als Gast, selbst im engsten Familienkreise durften ihn die Kinder nie anders als Monseigneur anreden. Im Herbst 1815 war Knatz in das Lyceum Fridericianum gekommen, das seit 1812 in das neue Malsburg´sche Haus in der unteren Karlsstraße

 

 

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