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führten und die in ihrer bisherigen Gestalt und Abgrenzung in die Gerichtsorganisation des Königs eingefügt wurden. Werden Gaue nach Flüssen, Bergen oder Städten genannt (wie Wettereiba, Eifla, Jülichgau), so können wir Neubildungen vermuten. Lebt dagegen der Sondername eines altgermanischen Stammes in ihnen fort, so wird der Gau das ursprüngliche und älteste Gebiet dieses Stammes umfassen, — und das ist beim Hessengau der Fall.

Die Chatten sollen zu der Römer Zeiten ein mächtiges, weit ausgedehntes Volk gewesen sein. Sie strömten zur Zeit der Völkerwanderung über den Rhein hinüber, die Lahn abwärts, die Mosel aufwärts und nahmen bis nach Metz hin ein weites Gebiet ein. Aber ausserhalb ihres Stammlandes ging ihr Name unter in dem der Franken. Er blieb nur einem Völklein, dessen Gebiet der Blick von der Höhe des Odenberges grösstenteils umspannt: eine Meile nördlich von Cassel mit der Sprachgrenze beginnend, dehnt sich der Gau südlich bis in die Ebene zwischen Knüll und Vogelsberg; im Osten läuft die Grenze auf der Wasserscheide der Fulda und Werra von der Vereinigung beider Flüsse bis zur Höhe des Seulingswaldes hin, während im Westen ein Kreisausschnitt auf der Sehne Zierenberg-Ziegenhain, der die Orte Wolfhagen, Sachsenhausen und Jesberg bis zur Landsburg berührt, die ungefähre Grenzscheide geben würde. Umschreiben wir die Peripherie des Gaues nach den bedeutendsten Örtlichkeiten innerhalb und ausserhalb derselben, so wird eine Wanderung von Münden über Grossalmerode zur Höhe des Weissners, dann hinab zwischen Lichtenau und Waldkappel hindurch in kurzem Bogen über Hönebach auf Hersfeld, von da nach Grebenau, Alsfeld, Ziegenhain, Allendorf a. d. Landsburg, Jesberg, Sachsenhausen, Wolfhagen und Zierenberg, und von da zurück nach Münden uns das Stammesgebiet des Hessenvolkes umschreiten lassen. Dies ist sein Gau; nur für dessen Bewohner gilt bis ins spätere Mittelalter der Name Hessen ; hier wird sich chattische Eigenart am reinsten erhalten haben, und in diesem Gau soll Gudensberg der vornehmste Ort gewesen sein.

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Aber aus weit entlegenerer Zeit kennen wir noch einen andern Hauptort des Chattenvolkes. Als im Jahre 15 n. Chr. der junge Drusus Germanicus die Chatten überfiel, da überschritt das Römerheer, vom Taunus kommend, die Edder, verwüstete die offenen Orte und verbrannte Mattium3). Jd genti caput, lautet der erklärende Zusatz, — das ist der Hauptort des Volkes. Also diesseits der Edder und nicht allzu fern vom Fluss haben wir Mattium zu suchen, dazu in unmittelbarer Nähe von Gudensberg, wenn die spätere Entwickelung der Volksverfassung in dem wichtigen Punkte des Hauptortes nicht der alten Zeit widersprechen soll. So finden wir ungesucht das benachbarte Maden und halten fest an der Identität dieses Dorfes mit dem Taciteischen Mattium, trotz kleiner sprachlicher Bedenken, die von Zeit zu Zeit immer aufs neue wieder

 

 

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