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Die Philipps-Universität Marburg zwischen Kaiserreich und Nationalsozialismus, hrsg.vom Verein für hessische Geschichte und Landeskunde e.V., Kassel 2006 (Hessische Forschungen zur geschichtlichen Landes- und Volkskunde, Band 45).

VIII und 311 Seiten, ISBN 3-925 333-45-2, Ladenpreis 24,00 €, Mitgliederpreis 12,00 €.

Die Geschichte der Universität Marburg im 20. Jahrhundert ist ein faszinierendes Kapitel deutscher Universitätsgeschichte, das leider noch immer nicht ausreichend erforscht ist. Das 1927 erschienene große Jubiläumswerk von Hermelink und Kaehler reicht bis zum Beginn der Weimarer Republik. Die neueren, seit 1995 verstärkt betriebenen Forschungen haben zu Publikationen über die Zeit des Ersten Weltkrieges und vor allem über die Zeit des Nationalsozialismus geführt.

Die dazwischen liegende Zeit dagegen ist bisher noch wenig erforscht, obwohl in den 1920er Jahren bemerkenswerte Wissenschaftler in Marburg lehrten. Berührt wird diese Zeit bisher nur durch die von Ingeborg Schnack herausgegebenen Kurzbiographien „Marburger Gelehrte in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts", Inge Auerbachs „Catalogus Professorum Academiae Marburgensis, 2. Bd., 1911-1971", Ulrich Siegs „Geschichte der Philosophie an der Universität Marburg von 1527 bis 1970", Ingrid Krälings Studie über „Marburger Neuhistoriker 1845-1930" und neuerdings Kai Köhlers „Germanistik und Kunstwissenschaften. Marburger Entwicklungen 1920-1950".

Der jetzt erschienene, aus einer wissenschaftlichen Tagung hervorgegangene Band „Die Universität Marburg zwischen Kaiserreich und Nationalsozialismus" widmet sich ganz der Aufbruchs- und Umbruchszeit der 1920er Jahre und schließt wesentliche Forschungslücken.

Die Beiträge gruppieren sich in drei Teile. Im ersten Teil wird nach dem Verhältnis der Philipps-Universität zum deutschen universitären Umfeld, zum republikanischen Staat und zur Stadt Marburg gefragt. Der zweite Teil befasst sich mit neun in ihren jeweiligen Fächern neue Wege beschreitenden Hochschullehrern: dem Theologen Bultmann, dem Kirchenhistoriker Hermelink, dem Philosophen Heidegger, dem Pädagogen Reichwein, dem Historiker Stengel, dem Literaturwissenschaftler Curtius, dem Chirurgen Klapp, dem Kindermediziner Freudenberg und dem Pharmazeuten Gadamer. Im dritten Teil geht es um die spezifische Marburger Studentenkultur und Studentenpolitik, die Frauen an der Universität und die singuläre Art, ein Universitätsjubiläum zu feiern.

Es wird deutlich, dass Marburg sich zwar nicht den großen Trends der deutschen Wissenschaft und Universitätspolitik entzog, aber doch eigene Akzente setzte. Diese heraus zu arbeiten ist das besondere Anliegen der Autorinnen und Autoren.