Ehrende Nachrufe mit Randnotizen. Dr. Eva-Maria Dickhaut stellte Leichenpredigten als historische Quellen vor

Während heute mit Todesanzeigen oder Nachrufen das Andenken an Verstorbene wachgehalten wird, griff man in der Frühen Neuzeit vor allem auf das Medium des Funeraldrucks, allgemein unter dem Begriff „Leichenpredigten“ gesammelt, zurück. Wer es sich leisten konnte, vom Handwerksmeister bis zum gehobenen Adeligen, gab solche papierenen Denkmäler für Angehörige in den Druck. Unter den etwa 330 000 erhaltenen Quellen aus der Zeit von 1530 bis 1750, die von der Forschungsstelle für Personalschriften in Marburg seit 1976 katalogisiert, verfilmt und erforscht werden, befinden sich auch Nachrufe auf Waldecker und Frankenberger Persönlichkeiten.

Über die Bedeutung der Leichenpredigten als Quelle historischer Wissenschaften sprach beim Frankenberger Geschichtsverein im Museum im Kloster die Leiterin der Marburger Forschungsstelle, Dr. Eva-Maria Dickhaut. „Der Brauch, solche Texte drucken zu lassen, geht zurück auf Martin Luther. Er wollte den katholischen Begräbnisriten einen Gottesdienst entgegensetzen, der die Hinterbliebenen trösten und die übrigen Zuhörer in ihrem Glauben stärken sollte“, berichtete Dr. Dickhaut.

 
 
Ehrenvolle Nachrufe, gedruckt und fein illustriert: Für ihren Vortrag beim Geschichtsverein im Museum im Kloster Frankenberg hatte die Marburger Forscherin Dr. Eva-Maria Dickhaut einige besonders interessante und schmuckvolle Beispiele historischer Leichenpredigten mitgebracht. (Foto: Karl-Hermann Völker)
 

Natürlich sollte in der Trauerrede ein möglichst positives Bild vom Verstorbenen gezeichnet werden. „Die formulierten Lebensläufe sind genauso glaubwürdig wie ein Ratsprotokoll oder Kirchenbuch der damaligen Zeit“, so die Forscherin. „Es gab aber schon mal handschriftliche Richtigstellungen am Rand.“

Eva-Maria Dickhaut zeigte die Vielfalt von Gattungen mit Nachrufen, akademischen Trauerreden, Personalia, Abdankungen, Portraits, Gedichten und auch musikalischen Trauerkompositionen auf, die erhalten geblieben sind, darunter auch Krankengeschichten - ein riesiger Blasenstein des Pfarrers Johannes Saubert von 1646 - und Obduktionsberichte, besonders interessant für Medizinhistoriker. Dominik Motz schrieb eine Doktorarbeit über Funeraldrucke als Erinnerungsmedien im Haus Waldeck und Pyrmont.

Sie verwies auch auf Leichenpredigten für angesehene Frankenberger Bürger, darunter Caspar Moritz von Wechmar, „welcher den 11. Juni 1644 auff den heiligen Pfingst-Dienstag von einer räuberischen Kriegs-Parthey mörderischer Weise überfallen, geschossen und umbs Leben gebracht“ wurde. Weitere Funeraldrucke hatte Dr. Dickhaut für den Sohn des Frankenberger Gerichtsschreibers Daniel Dieterich (1650-1633), den Major Johan Bönhauß (1566-1649) und David Lukan (1528-1590) ermittelt.

Wie ihre europaweit einzigartige Forschungsstelle in Marburg arbeitet und welche Zugangsmöglichkeiten Nutzern auch über das Internetportal geboten werden, beschrieb die Historikerin im letzten Teil ihres Vortrags. Nach lebhafter Diskussion in der voll besetzten Mauritiuskapelle des Museums dankte Ruth Piro-Klein der Referentin mit einem Buchgeschenk.

Karl-Hermann Völker